Zappa Interview

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Spotlight, December, 1981


Für die einen ist er eine schillernde Figur, für die anderen der Prophet schlechthin. Jetzt betrachtet, vor Jahren betrachtet, und im Nachhinein nach Jahren betrachtet, Einigkeit über Frank Zappa wird durch viele gegensätzliche Meinungen unter den Zappa-Fans wohl nie erreicht werden. Muss wohl auch nicht. Sind doch die vielgestaltigen Facetten des Edelsteins Zappa die komplexe Einheit Frank Zappa, die je nach dem aus welchem Blickwinkel diese Einheit betrachtet wird, auch in anderen Farben leuchtet. Ich erinnere mich noch sehr gut an die ersten Aufnahmen der Mothers of Invention mit Frank Zappa und wie ich damals dachte, Mann, sehen die "far out" aus. Und dann der Name; Zappa – irgendwie exotisch und die Assoziationen, die sich aufdrängten, hatten mehr mit mexikanischer Rebellion zu tun als mit der Musik, die ich dann zu hören bekam. Das schmale Gesicht, die eng zusammen stehenden stechenden Augen, die eigenwillige Barttracht und die grosse Nase (eine richtige Schnüffelnase) Zappas, entsprachen dann schon mehr der Musik, und die Aufmachung der Mothers of Invention passte zur Musik wie die Faust aufs Auge. Von dieser Truppe waren keine Popsongs zu erwarten, harter Rock auch nicht, eine Mischung aus beidem noch viel weniger, am ehesten eine intellektuell wilde Auseinandersetzung mit überkommenen Musikformen; und das wars denn auch. Damals, vor 16 Jahren, in der Zeit des zweiten Aufbruchs in der Rockhistorie, als Gunther Hampel im Düsseldorfer Creem Cheese seine totalen Free Jazz-Experimente mit visueller Unterstützung durch ölscheibenprojektion machte, als die Nice die Klassik neu formten, die Fugs und MC 5 die Welt am Arsch packten, kamen die Mothers of Invention mit ihrer kompromisslosen Vulgarität daher als wären sie der Phönix aus der Asche und Zappa der Oberphönix. So ist es geblieben, obwohl sich das Bild Zappas in der öffentlichkeit doch reichlich gewandelt hat.

Zappa ist der Oberfreak geblieben, hat die Rockpeople und das Plattenestablishment immer wieder geschockt, ist Frank Zappa geblieben und hat sich doch gewandelt. Aus dem langhaarigen König der Freaks der 60er Jahre ist ein smarter, professioneller und hart arbeitender Businessman des Rockbiz geworden; dieser Wandlung trägt er auch in Kleidung, Haartracht und Gehabe Rechnung und oh Wunder, trotz allem ist er Zappa geblieben. Immer noch steckt er seine lange Nase tief in die Zufriedenheit der Bourgeoisie und obwohl seine Platten auf dem eigenen Label Zappa Records (im Vertrieb der CBS) erscheinen, seine LP's sich reichlich verkaufen, er mit "Dancing Fool" in Amerika einen Hit hatte und die 40 auch schon überschritten hat, ist er doch längst keine gesetzte Persönlichkeit des Rockbiz geworden. Zappa-Fans braucht man es nicht zu sagen, aber dennoch, wer Zweifel hegt, sollte sich einmal ruhig und intensiv mit den "Joe's Garage"-Platten beschäftigen; denn dann wird er wissen, dass Zappa immer noch konsequent Anti-Establishment denkt und ist und dass die Aufsässigkeit des selbstkritischen Individuums immer noch Zappas Evangelium ist. So wie man sich die Doors anhören sollte, um ein korrektes Bild über die New Wave Musik zu bekommen, muss man sich auch mit Zappa beschäftigen, um die vielgerühmte anarchistische Rebellion der Punker in die richtige Wertigkeit und Position zu versetzen. Ohne Zappa wären die Sex Pistols – und andere Schockpunker – in ihrer Aufsässigkeit wohl nicht denkbar; Anti-Establishment leitet sich erst einmal von Frank Zappa ab. Wenn die Punker sich auch musikalisch etwas bei Zappa angeguckt und nicht nur ihren Drei-Akkorde Primitiv-Rock gefertigt hätten, wäre den punkenden Musikern wohl eine langfristige Chance geblieben.

Zappa selbst hat nie den einfachen Weg gesucht. So wie er in seinen Texten kompromisslos war, so konsequent erarbeitet er sich auch seinen eigenen musikalischen Weg. Seine Lieblingskomponisten sind bezeichnenderweise Strawinsky und Edgar Varèse. Kein Wunder also, dass sich die Spuren dieser beiden Komponisten in den 30 Alben, die Zappa bislang veröffentlicht hat, ebenso immer wieder finden wie auch, dem jeweiligen Zeitgeist entsprechend, die Muster aus prograssivem Jazz, Rhythm & Blues und künstlerischer Musikcollage. So blieb es in der Vergangenheit auch nicht aus, dass sogar die Kritiker, die mit Zappa und seinen Aussprüchen nichts anzufangen wussten, ja sie sogar verdammten oder einfach als nicht relevant abtaten, dem musikalischen Können und seinem Gitarrenspiel doch hockachtend Tribut zollten. Wieviele Musiker auch wären in der Lage gewesen, mit dem Dirigenten Zubin Mehta und den Philharmonikern von Los Angeles die eigenen Werke aufzuführen, wie Zappa es 1970 gemacht hat. Das eine, die Avantgarde anzuerkennen, das andere, die Rockwurzeln aberkennend tolerieren, auch das ist Frank Zappa. Aber für ihn gibt es keine zwei Seiten seiner Musik. Für ihn gelten die Rockmuster "What's The Ugliest Part Of Your Body", "Peguin In Bondage" ebenso zu seiner musikalischen Einheit wie die ausgefallensten avantgardistischen Muster. Und damit steht er in Musikerkreisen zumindestens nicht allein. George Duke, Jean Luc Ponty, John Guerin und Lowell George, die alle einmal bei Zappa arbeiteten, sehen es ebenso. Um Zappa musikalisch zu verstehen, braucht man daher auch weniger grundsätzlich theoretische Kenntnisse über Musik, sondern mehr ein durchgreifendes Verständnis für Satire, für Zappasche Satire. Die alle Schranken durchbrechende Offenheit, die Mutwilligkeit, sich selbst und die aufgenommenen Einflüsse in Frage zu stellen, ist die Grundlage, um zu Zappa Zugang zu finden. Zappa schlachtet die heiligen Kühe der eigenen Ansichten. Ob er die Hippiebewegung entlarvt, dem Bürgertum den Spiegel vorhält oder schon 1968 erkannte, dass die Beatles ("We're Only In It For The Money") längst keine aufsässigen Jugendkulturheroen waren, immer war Zappa unbequem, in seinen Erkenntnissen dem breiten Bewusstsein weit voraus. Dass er dabei immer wieder angepisst wird, auch von denen, die vorgeben, ihn zu lieben, stört den Amerikaner und Kalifornier Zappa dabei gar nicht. Als eine Organisation der Juden in Amerika ihn wegen des Songs "Jewish Girl [Princess]" vom Album "Sheik Yerbouti" angriff, war im dieser Angriff nicht einmal des Notiznehmens wert. Wie immer das Bild aber auch ist, das sich der persönliche Betrachter von Zappa gemacht hat, oder macht, ohne Kompromisse stimmt das Bild von Zappa, dem hart arbeitenden Musiker – 14 Stunden täglich im Studio – und dem sorgenden Familienvater. Als Vater von 4 Kindern, lässt er keinen Zweifel daran, dass er Vater ist. Wenn er nicht im eigenen Studio im Keller seines Hauses arbeitet, ist er oben mit den Kindern und allenthalben sind auch die Spuren seiner Gegenwart mit den Kindern feststellbar. Musikgeräte und Kinderspielzeuge bilden eine harmonische Unordnung, die Unordnung einer lebensfrohen, kontakten Familie.

Du hast sehr spät damit angefangen, die Rockwelt zu erobern. Soweit ich weiss, warst Du schon über 20 als Du zum ersten Mal einen Rocksong schriebst. Zuvor hast Du Dich ausschliesslich mit ernster Musik beschäftigt. Warum der späte Wechsel zum Rock?

Ich habe immer Rocksongs schreiben wollen, aber auch gleichzeitig immer einen Bammel davor gehabt. Irgendwie hatte ich immer das Gefühl, ich würde die Musik, die ich zwar als Konsument wohl reichlich liebte, nicht selbst machen können. Da ich schon mit 14 Jahren angefangen hatte, Kammermusik zu schreiben, fühlte ich mich in dieser Musik auch mehr zuhause als im Rock. Das grösste Problem war aber, wenn man einen Rocksong schreibt, braucht man jemanden, der ihn singt. Ich habe damals kaum gesungen, nie den Mut dazu gehabt. So etwa als ich 21 oder 22 war, habe ich dann Ray Collins getroffen, der so singen konnte, wie ich es gern gewollt hätte. Also habe ich zu schreiben angefangen und die Mothers of Invention gegründet.

In Deinen frühen Songs sind deutlich die Spuren des Rhythm & Blues und des Poprocks der 50er Jahre zu erkennen. Hast Du dieserMusik vielzu verdanken?

Zu verdanken? Nein, ich glaube nicht. Ich war damals Lehrer an einer Schule und habe versucht, die Schüler dahin zu bringen, dass sie erkannten, dass Country- und Jazz-Musik eine künstliche (artificial) Musik war und dass Rhythm & Blues viel ehrlicher, viel hochstehender weil ursprünglicher war. Damals gab es noch klare Grenzen zwischen den Jazz-Fans und den Rhythm & Blues Fans und oft wurden die Streitigkeiten über diese Musikformen und ihre Wertigkeit nicht nur verbal zwischen den Fans ausgetragen. Zu verdanken habe ich dieser Musik glaube ich nichts, denn die Musik war zwar da, aber ich habe sie nicht entdecken, erarbeiten müssen, sie war ein Teil von mir, und wenn es sie so nicht gegeben hätte, wäre das Gefühl dieser Musik dennoch in mir gewesen. Was mich wohl beeindruckte waren die Texte dieser Musik. In den 50er Jahren hatten die meisten Rhythm & Blues Songs eine Art von Humor, von Selbstparodie, wie man sie im Jazz und der heutigen Popmusik nicht mehr findet. Ich besitze heute eine grosse Sammlung von Schallplatten aus dieser Zeit und ich könnte dir einige Nummern vorspielen, die wirklich lustig sind – keine Gag oder Comedyplatten, immer noch richtiger Rhythm & Blues, aber die Leute singen alltäglich, so als seien sie wirklich hier, lebendig im Raum und ihre Erlebnisse laufen jetzt ab und man kann gemeinsam darüber lachen.

Was waren die ersten musikalischen Schritte in Richtung Rock und Plattenaufnahmen mit dieser Musik?

1963 schrieb ich "Memories Of El Monte" und dieser Song wurde mit den "Penguins" aufgezeichnet. Es war ein Song im Rhythm & Blues Stil mit einem Schuss wop-music.

Das war die Zeit mit Ray Collins, und bald sollte es die Mothers of Invention geben. Hattest Du damals schon vor, Hits zu schreiben, musikalisch, kommerziell, erfolgreich zu werden?

Also ich schrieb Musik, ich schrieb Texte, machte all das, was notwendig ist, um sich musikalisch zu etablieren. Ich glaubte, mit jedem Ton, den ich komponierte und mit jeder Textzeile, die ich schrieb, dass dies Material für einen Top Ten Hit wäre. Ich tat das, was mir musikalisch und textlich gefiel und es machte mir Spass zu feilen und dem endgültigen Ergebnis zuzuhören. Also sollten die Platten auch Hits werden. Es kam mir dabei niemals in den Sinn, dass meine Musik und meine Texte der breiten Masse nicht gefallen könnten, dass meine Musik keine Konsumentenmusik sei, sondern Musik für Individualisten und individuelle Liebhaber. Das ist mir erst von anderen so erklärt worden.

Damals, in den 60er Jahren löste sich die Rockmusik, nicht zuletzt auch durch den Einfluss der britischen Bands aus dem Dunstkreis der "Tin Pan Alley". Kreativität war ganz gross angesagt und allenthalben in den Grossstädten, besonders in San Francisco und Los Angeles bildeten sich Gegenkultur-Zentren, wie man sie damals nannte, heraus. Die Künste, besonders in Hollywood, befruchteten sich gegenseitig und das, was man heute New Wave nennt, war damals der Fruchtboden des musikalisch künstlerischen Alltags. War das damals so und was ist heute daran anders?

Es war schon etwas los in Los Angeles damals und eine Atmosphäre des "Es ist alles möglich" war die Grundlage eines breiten, spezifischen Feelings. Aber es hat nicht lange gedauert; es wurde schnell zerstört. Zerstört vom Establishment und seinen Handlangern. Zuerst kamen die Immobilienbesitzer, dann die Stadt und danach die Polizei. Es gab eine Menge Leute, die auf dem Sunset Boulevard herumgingen, sich seltsam kleideten und in einer bestimmten freizügigen Geisteshaltung lebten. Die Immobilienbesitzer dieser Gegend aber behaupteten, dass durch diese Leute der Wohnwert der Gegend abgewertet würde, ihre Villen verloren tagtäglich an Verkaufswert und so bearbeiteten sie die Stadtväter dahingehend, dass die Stadt die Polizei aussandte, um die Leute zu vertreiben. Also kamen freitags und samstags abends die Mannschaftswagen der Polizei, um die Hippies ein bisschen zu verprügeln, einzusammeln und in andere Stadteile zu verfrachten. Der Druck der Stadt wurde so stark, dass die Clubbesitzer in dieser Gegend es nicht einmal mehr wagten, langhaarige Musiker zu beschäftigen. Resultat war, dass schon bald die Leute, die etwas zu sagen hatten, die Gegend um den Sunset Boulevard verliessen, um woanders freiheitlich denken und leben zu können. 1967 war die Szene schon ausgetrocknet. Ich glaube, die "goldene Zeit" in Hollywood war in den Jahren 65 und 66. Als dann die Plattenindustrie nach Los Angeles kam, um es zu ihrem Welthauptzentrum zu machen, wurde der Szene der Todesstoss versetzt. Zuvor hatten sich noch die Musiker zu Bands geformt, weil sie etwas zu sagen hatten, etwas gemeinsam ausdrücken wollten, aber danach wurden die Musiker von den Plattenfirmen so zusammengesetzt, dass sie bestimmte Formen ausfüllen konnten. Heute ist es so, dass überlegt wird, ich muss soviel Geld bereitstellen, um die Platte zu machen, ich brauche diese und jene Musiker, um glaubwürdig zu wirken und dann checke ich die Plattenbosse ab, bis sie mir sagen, nun ist die Zeit für dich Rock'n Roll Hero zu werden.

Die Szene damals, war sie nicht der Ursprung für die aufkommende Ernsthaftigkeit in der Rockmusik, für den messianischen Geist, der sich bald durchsetzen sollte. Die Westcoast Musikgruppen wie Grateful Dead hatten doch etwas in Ernsthaftigkeit zu sagen. Der Boden für Satire, wurde er dadurch gefördert oder gehemmt?

Ich glaube, die Leute waren damals gar nicht an Humor und Satire interessiert. Als die Plattenindustrie anfing, Ray Charles mit orchestralem Klang aufzumotzen, tötete sie die humorvolle Spontaneität in der Musik. Ein letztes Aufbäumen gab es noch mit den Bestrebungen des Novalty Rock, der so lustige Sachen wie "Etsie Teenie Weenie Strand Bikini", "Ahab The Arab" und "Please Mr. Custer" herausbrachte. Aber kurz danach gab es nur noch Ernsthaftigkeit.

Nun, Du hast Dich dieser Ernsthaftigkeit nicht gebeugt. Du hast Deinen Humor nicht verloren und ihm immer Rechnung getragen, wie man auf Deinen Platten sehr leicht nachlesen kann. Wolltest Du Dich dem Trend nicht beugen oder sahst Du in Deinem gegensätzlichen Wirken die Chance, Dich zum In-Aussenseiter zu erklären?

Weder noch. Mein Humor ist ein genetisches Muss in mir, gegen das ich nichts tun kann.

Hat Dein Humor, die Bissigkeit Deiner Bemerkungen Dich, abgesehen von Kritiker-Meinungen, jemals in Schwierigkeiten gebracht. Hat es irgendwelche Art von Zensurmassnahmen gegeben?

Aber sicher. In der Vergangenheit hat es einige Zensuren gegeben und erst in jüngster Zeit haben die Zensoren wieder zuschlagen wollen. Ich habe doch diese Single "I Don't Want Get Drafted" gemacht und sie der Phonogram (von der Phonogram werden die Zappa-Platten in den USA vertrieben, Anm. d. Red.) gegeben und die haben da einen Typen, der für die Singles verantwortlich ist, der wollte die Scheibe partout nichtveröffentlichen. Der Kerl war wohl selbst in der Army gewesen und ist immer noch mit ihr verheiratet. Nun, dieser Typ also entschied, dass die Single nicht veröffentlicht wird. Es hat dann einigen ärger gegeben, zwischen meinem Manager und ihm, zwischen meinem Manager und dem Chef der Phonogram und schliesslich meinte der Phonogram-Boss, nachdem er die Single angehört hatte, sie wäre gut und die Phonogram würde sie veröffentlichen.

Dein Humor ist nicht nur lustig zu sehen, Reichlich Biss zeichnet ihn aus und vielen Gruppen und Gemeinschaften hast Du schon auf die Füsse getreten. Darüberhinaus aber sind Deine Texte auch manchmal grotesk, bizarr, die Art und Weise, wie Du die Umstände, an denen Du Kritik übst, darstellst, ist oft ebenfalls nur als groteske und bizarre Schilderung zu bezeichnen. Ist Amerika für Dich ein groteskes Land?

Um es gleich klar und deutlich zu machen, ich bin ein All-American Boy durch und durch. Ich möchte in keinem anderen Land der Welt leben und ich glaube, dass dies Land das Land der Möglichkeiten ist, und dennoch, ich denke auch, es ist ein groteskes Land. Aber das zählt auch für andere Teile und andere Länder der Welt. Ich glaube, würde ich in Deutschland leben, so würde ich einiges in Deutschland auch als grotesk ansehen und grotesk darüber schreiben. Ich glaube, einige Leute verstehen auch die offensichtlichsten Dinge immer falsch. Sieh mal, als meine Platten zum ersten Mal in Deutschland veröffentlicht wurden, hatte ich direkt Erfolg und das nur, weil die Leute glaubten, ich würde antiamerikanische Lieder schreiben. Damals gab es in Deutschland eine antiamerikanische Denkweise und die Leute sagten; dieser Zappa ist unser Held. Wir mögen ihn, weil er als Amerikaner antiamerikanische Lieder schreibt. Aber das ist Quatsch. Auch wenn ich manche Dinge aus diesem Land nicht gut finde, so liebe ich dieses Land dennoch und meine Kritik an diesen Dingen ist pro-Amerika und sonst nichts. Für die Leute, die darüber nachdenken, was sie hören und sehen, sind diese Zusammenhänge auch klar und offensichtlich. Es sind immer die Leute die etwas falsch verstehen, die eine Rechtfertigung für eigene Ansichten suchen, ein Alibi in Form eines Künstlers oder einer künstlerischen Aussage um ihre "eigene Wahrheit" damit aufzumotzen. Darüber hinaus, wie willst du der vielgenannten "breiten Masse" etwas erklären oder offenlegen, das ihr Denken verändern würde, oder ihr sogar durch eine Schockwirkung den entscheidenden Anstoss zum eigenen Denken geben können, wenn diese "breite Masse" so tumb und taub ist, dass sie ihr eigenes Atmen nicht einmal mehr hört. Wie kann man jemanden schocken, der so kraft- und saftlos ist, dass er einfach alles für möglich hält und alles Mögliche akzeptiert, einfach so. Das ist meine Erklärung des American Way of Life. Die Amerikaner sind daran gewöhnt, die unwahrscheinlichsten Dinge, die schrecklichsten und schönsten Dinge alltäglich daheim auf dem Fernseher zu haben, dem Gerät der amerikanischen Wahrheit, das die tatsächliche Realität verblassen lässt und sie unbewusst glauben lässt, die eigentliche Realität fände im Fernsehen statt. Sie können in den News sehen, wie Teile der Welt in den Himmel geblasen werden, wie Völker vernichtet werden, und dann ist der Film vorbei und die Cocktailkonversation wird fortgesetzt ohne irgendeine Reflektion des gerade Gesehenen. Diesen Leuten kannst du nichts erzählen, kannst sie nicht schocken und aufrühren; und warum sollte man. Sie sehen so glücklich und zufrieden aus, so unberührbar, also warum sich darum kümmern?

Aber es gibt doch Leute, die Zappa nicht nur hinnehmen, die sich von Zappa angegriffen fühlen und die auf Zappa reagieren, wie die Anti Defamation League über "Jewish Princess". Ich weiss zum Beispiel auch, dass der Begriff JAP f'ür Jewish American Princess an der Ostküste, speziell in New York einen leicht diskriminierenden Beigeschmack hat, bedeutet er doch im übertragenen Sinn, dass ein reiches jüdisches amerikanisches Mädchen zwar kulturell nicht weit entwickelt ist, aber diesen Nachteil durch ihr Geld, ihren Reichtum einer Prinzessin wettmacht und daher für normale Amerikaner attraktiv macht.

Die Leute von der Anti Defamation League sind ein Witz, nichts anders als eine PR-Organisation, die von Juden bezahlt wird und Druck auf die Presse ausüben soll. Sie senden laufend Statements an die Zeitungen- und Nachrichtenorganisationen; es sind Lobbyisten die beweisen wollen, dass das Judentum eine homogene Einheit von gleichen Menschen ist, so dass letztlich die Amerikaner generell die fantastische Lüge glauben werden, alle Juden seien gleich. Aber die Juden sind genau so unterschiedlich wie andere Menschen auch. Alles was die ADL mir beweisen müsste ist, dass es keine jüdischen Prinzessinnen gibt und ich würde auf ihrer Seite sein. Aber, und das möchte ich betonen, ich habe das perfekte Recht als ein Künstler und ein Bürgerder Vereinigten Staaten und ihrer Verfassung zu sagen was immer ich will, und im Falle des Songs "Jewish Pricess" ist es einfach total wahr was ich sage. Die ADL soll mich zufrieden lassen, soll besser aus meinem Gesichtskreis verschwinden.

Nun ist der Zappa von heute auch nicht mehr ganz der Zappa von vor 15 Jahren. Musikalisch und textlich sind änderungen vorgenommen worden, Entwicklungen vielleicht. Hat sich die Art und Weise deines Komponierens und Textens über die Jahre verändert?

Nein, da hat es keine grossen Veränderungen gegeben. Was sich geändert hat, ist die Instrumentierung und die Rhythmikarbeit, die ich heute den Songs zuordnen kann und will. Das ist einesteils bedingt durch persönliche Entwicklung, über die Jahre habe ich doch musikalische Fähigkeiten immer besser im Griff bekommen, und zum anderen Teil ist es dadurch bedingt, dass auch die Musiker, mit denen ich heutzutage arbeiten kann, musikalisch technisch viel besser sind als die Musiker, mit denen ich vor Jahren arbeitete. Ich kann zum Beispiel nicht irgendwelche Stücke schreiben, um mir dann im nachhinein die Leute zu suchen, die diese Stücke auch spielen können. Ich muss immer wissen für welche Musiker ich schreibe, welche Fähigkeiten der Musiker hat, wie er sich musikalisch-technisch darstellt. Die Fähigkeiten versuche ich dann bestmöglich in meine Songs zu integrieren.

Wie hast du zum Beispiel die Songs für "]oe's Garage" geschrieben?

Nun, der Song "Joe's Garage" entstand aus einem Riff, das mir während eines Soundchecks plötzlich eingefallen war. Dann, irgendwann drei Wochen später auf der gleichen Tournee kam mir plötzlich eine zweite Idee zu dem Riff und ich hatte auch ein, zwar noch unbestimmtes Gefühl, aber dennoch eine definitive Ahnung, wie der Song werden sollte. An einem freien Tag habe ich dann mit diesen Ideen gearbeitet und auch die ersten Textzeilen dazu geschrieben. "Catholic Girls" wurde demgegenüber fast innerhalb einer Stunde in der Garderobe vor einem Auftritt geschrieben.

Schreibst Du die meisten Lieder während Du on tour bist?

Nein, ich schreibe eigentlich immer und überall. Da die Ideen zu Liedern oder Texten zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten kommen, bin ich immer bereit, diesen Ideen eine Chance zu geben. Sehr oft koche ich sie mit den Jungens aus der Band auf, "just to see what will happen".

Ausser den musikalischen Ideen braucht ein Song ja auch einen textlichen Anstoss, eine Idee zu einem Thema, worüber man schreiben möchte. Was sind die Quellen, was macht dich an für die textliche Arbeit?

Sehr vieles von dem, was ich schreibe, sind persönliche Erfahrungen, Erfahrungen von mir oder den Jungs, die mit mir zusammen sind. Das hat auch eine nicht zu übersehende Konsequenz. Als Beobachter kann man ein persönliches Erlebnis sehr gut darstellen, und wenn man dann die betroffene Person die Story oder Aussage singen lässt, bekommt man eine Wahrheit, eine Textur in den Vortrag, die man mit Worten zwar nicht beschreiben kann, die der Zuhörer aber erkennt. "Punky's Whips" ist eine Story über ein Erlebnis, das Drummer Terry Bozzio passierte. Wenn du willst schreibe ich meine Songs also nicht anders wie auch die Country Leute ihre Songs schreiben. "John Henry and his Hammer" oder so ist ebenso aus Beobachtung entstanden wie eben "Punky's Whips".

Aber Songwriting ist nicht nur die musikalische Idee und ein passender Text, es gehören auch die sogenannten "tricks of the trade" dazu. Was sind die hauptsächlichen Grundsätze, die man beim Komponieren und Texten deiner Erfahrung nach beachten sollte?

Es hängt viel davon ab, welche Lieder man schreiben möchte. Schreibt man Balladen, schnelle Rocksongs oder Songs, die aus der Konstruktion vieler verschiedener Stile und Rhythmen bestehen, so gibt es immer andere Dinge zu beachten. Wenn man einen Song mit vielen Akkordwechseln schreibt, mit vielen musikalischen Akzenten, dann sollte der Text auf das Notwendigste beschränkt bleiben, weil sich sonst Worte und Musik gegenseitig behindern. Alles würde zu dicht, zu überfüllt und die Leute würden das nicht nur nicht mögen, sie würden vor lauter Fülle auch keinen Bezug zum Stück finden. Hat man aber einen Text, der einfach viele Worte benötigt, so sollte man eine einfache Musik wählen, damit die Lyrics auch die Chance haben, verstanden zu werden, und ihrer Bedeutung nach auch vordergründig wirken können. Dazu kommt dass man den Rhythmus der Worte, wenn sie gesungen werden, nicht verändern sollte. Der Rhythmus der Worte soll unverändert bleiben, so dass die Akzentuierung eines Wortes den musikalischen Akzenten entspricht. Ich habe hier in Amerika, aber mehr noch in anderen Ländern und auch in Deutschland gesungene Texte gehört, wo die Worte durch die aufgezwungene Akzentuierung eine andere Bedeutung bekamen, und sehr oft dabei unglaubwürdig klangen. Die Worte werden meiner Meinung nach in ihrer Bedeutung viel zu oft unterschätzt. Ich habe festgestellt, dass Songs die textlich nichts zu sagen hatten, aber eine wunderschöne Melodie besassen, die Leute unberührt liessen, wohingegen Songs, die die Leute ansprachen, Reaktionen auslösten, lachen oder lächeln, "positive feeling", sofortige Aufmerksamkeit fanden, obwohl ihre Melodien nicht berauschend waren, und sogar wenn sie ausgefallen schön waren, nicht beachtet wurden.

Wie ich den Weg Frank Zappa verfolgen konnte, hat es nie den Massenmedien-Superhype gegeben, wie ihn andere Musiker hin und wieder bekommen haben. Frank Zappas Werdegang ist eigentlich mehr der Mund zu Mund Reklame aus Insiderkreisen gefolgt, die sich immer weiter ausbreitete. Hast du jemals "Big Cover" von den Massenmedien bekommen?

Oh ja, aber bezeichnender Weise rein zufällig. Während ich in Deutschland auf Tournee war bekam ich ein Telegramm aus Amerika, in dem mir mitgeteilt wurde, dass "Don't Eat The Yellow Snow" zur Hitsingle geworden war. Ich konnte mir das gar nicht erklären, denn mitten in der Discozeit sollte ich einen Hit haben mit einer Single, die es gar nicht als Single gab. Was war passiert? Ein Radio DJ aus Pittsburgh hatte sich daheim noch einmal das "Apostrophe"-Album angehört und dabei plötzlich gedacht, mein Gott, das ist ja ein Song für meine Sendung. Er hat also die 10 Minuten lange Version des Albums auf drei Minuten gekürzt und in seiner Sendung vorgestellt. Die Leute riefen an und wollten den Song immer wieder hören. Von der einen Radio-Station ging der Erfolg zur nächsten und schliesslich gab die Plattenfirma sogar eine entsprechende Single heraus. Sie hat sich aber nicht so gut verkauft, das Album dagegen zog noch einmal richtig an.

Hat ein derartiges Erlebnis nicht eine auslösende Funktion in Bezug auf die weitere, gerade anstehende Arbeit. Bist du nicht versucht gewesen, nun nach diesem Erfolg schnell Musik zu schreiben, die den Faden aufnehmen und dir noch mehr Erfolg bringen könnte?

Nein, denn das was ich mache, tue ich für die Leute, die meine Musik schon mögen. Ich möchte zwar einige neue Freunde gewinnen, das ist auch schön, aber ich fühle mich nur den Leuten verpflichtet, die das mögen, was ich immergetan habe. Ich fühle dem Kommerz, den Kritikern, irgendwelchen Lobbyisten gegenüber keinerlei Verpflichtung.

Gilt das für Musik und Texte? Schreibst du nicht hin und wieder auch Texte aus ganz bestimmten Motiven, aus Motiven heraus, die dich allein betrafen?

Ja, sicher. Es gibt immer wieder Erlebnisse oder Vorkommnisse, die mich persönlich betroffen machen, wie die reaktionäre Stimmung in den USA zum Beispiel. Deshalb habe ich "I Don't Want To Get Drafted" geschrieben. Was sich aber dann wieder zeigt, ist dass dieses rein persönliche Erlebnis ebenso persönliches Erlebnis für viele meiner Freunde ist. So wurde eine Gemeinsamkeit erzielt in der Ansicht dass "ich, ein jeder von uns zu jung und zu blöd ist, um mit einer Kanone zu hantieren."

I don't want to get drafted
I don't want to go
I don't want to get drafted
I don't want to go
Roller skates an' discos
Is a lot of fun
I'm too young and stupid
To operate a gun

Nun hat sich Zappa zwar über die Jahre verändert, aber ist doch immer Frank Zappa geblieben. Das was in der letzten Zeit viel Beachtung gefunden hat, die sogenannte neue Auferstehung des Rock n Roll ist jedoch an dir vorbeigegangen. New Wave, Punk, New Rock und wie die Kategorien alle heissen, mit denen Marktlücken gerissen und geschlossen werden, sollen sind Zeichen einer Entwicklung, die du beachtest oder nicht beachtest. Wie steht es damit?

Ich höre keine Radiosendungen, daher weiss ich also nicht, was kommerziell erfolgreich ist, aus welchen Gründen auch immer. Allerdings gehe ich häufig in Clubs und Discos um mich zu orientieren. Dazu kommt, dass ich natürlich auch noch viele Anregungen aus meinem unmittelbaren Bekanntenkreis bekomme. Ich glaube, dass ich schon ziemlich genau weiss, was in dieser neuen Szene abläuft. "Typical Girls" von den Slits mag ich, einige Sachen von den Buzzcocks finde ich gut und Police haben auch zwei brauchbare Songs geschrieben. Eine der besten Platten aus dieser Szene, finde ich, ist Lene Lovichs "Lucky Number". Ansonsten muss ich sagen, dass sehr vieles von dem, was in dieser Szene angeboten und verkauft wird, einfach nur Vorspiegelung von falschen Tatsachen ist. Als Live-Unterhaltung können derartige Gruppen ja noch sehr interessant und auch amüsant sein, aber im Plattengeschäft kann man keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen, wenn man sich erst vor drei Wochen eine Gitarre gekauft hatte und vor zwei Wochen noch nicht wusste, wo an einer Gitarre unten und oben ist.

Frank Zappa ist nun seit geraumer Zeit nicht mehr nur Musiker und Texter, sondern auch Chef des eigenen Labels, der Zappa Records. Viele Musiker werden es niemals soweit bringen, sondern werden darauf angewiesen sein, auf irgendeine Art mit Firmen zu kooperieren. Welchen Rat würdest du Musikern mit auf den Weg in den Kommerz geben?

Okay, das erste, was ein Musiker machen sollte, ist einen eigenen Musikverlag zu gründen. So eine Gründung kostet fast gar nichts (In Deutschland ist das jedoch Dank der GEMA nicht so einfach, aber es geht auch). Dadurch hat man schon einmal einen geschäftsmässigen Anstrich und mögliche Partner sind leichter auf eine gemeinsame Gesprächsbasis zu ziehen. Also Musiker, gebt die Verlagsrechte nicht weg, denn sie kosten euch nichts und die Vergabe der Verlagsrechte bringt in den seltensten Fällen einen Vorteil; hingegen, wenn eine Schallplatte nicht läuft, kann man doch durch die Verlagsrechte noch einiges Geld verdienen. Die Verlagsrechte sind die Versicherung des Musikers. Nehmen wir ein Beispiel. Eine Gruppe erhält einen Vorschuss für die Produktion und die erste Tournee in Höhe von 100 000,– DM. Die Gruppe muss nun viele, sehr viele Platten verkaufen, um über die 100 000,– DM hinaus noch Geld zu bekommen. Die 100 000,– DM aber sind für Produktion und Touraufwand draufgegangen, also wurde mithin noch nichts verdient. Vielleicht muss die Gruppe 70 000 LPs verkaufen, um über die 100 000,– DM hinaus weiteres Geld von der Plattenfirma zu bekommen, aber sie hat vielleicht nur 50 oder 60 000 LPs verkauft. Also gibt es von der Plattenfirma kein Geld, allenfalls einen neuen Vorschuss, der aber wieder für eine neue Produktion und Tour ausgegeben werden muss. Wovon leben nun die Musiker? Von Nebenarbeit, Studiogigs und ähnlichem, aber besser noch könnten sie leben, wenn sie die Verlagsrechte selbst behalten hätten, denn für die angenommenen 50 oder 60 000 LPs gibt es die Verlegertantieme, in den USA 32 Cents je LP. Ein schönes Stückchen Geld für die Gruppe und dieses Geld kann bedeuten, dass man durchhalten kann. Manchmal aber machen auch Musikverleger Vorschläge, die kommerziell sinnvoll sind.

Diese Vorschläge sollte man ganz genau prüfen, sich die Vorteile vertraglich absichern, ehe man darauf einsteigt. Andere Gründe als die des nachgewiesenen finanziellen Vorteils für die Vergabe der Verlagsrechte gibt es nicht. Anders ist es wenn man "only for the money" im Musikgeschäft ist. Dann braucht man Verleger mit guten Verbindungen und schnellen Entschlüssen, das gilt auch für die Plattenfirma, mit deren Hilfe man Produkte schnell auf den Markt werfen kann. Aber dann schreibt man auch ganz andere Musik. Dann analysiert man vergangene Hits, nimmt von allem, was in der kürzeren Vergangenheit gut verkauft wurde, ein wenig und rast damit in den Markt. "Fast Business" und sehr oft steigen die Radiostationen auch voll ein und schon wieder hat man einen Hit, der Schreiber, der Verleger und die Plattenfirma.

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