Zappa und das Feuer von Montreux

By Elias

Pop, February, 1972


Mothers-Tasteninstrumentalist Don Preston hatte eben seinen Synthesizer in Aktion gesetzt, um den nächsten Song anzustimmen. Plötzlich steht ein grosser Teil der über 2000 sich im Casino Montreux befindlichen Zuschauer auf und setzt sich Richtung Ausgang in Bewegung. Da wird auch Frank Zappa darauf aufmerksam, dass etwas nicht mehr stimmen kann. Sänger Mark Volman tippt ihm energisch auf die Schulter und weist erschreckt in eine Richtung. Zappa reagiert sofort: «Fire, fire»! ruft er, stellt seine Gitarre in die Ecke und verlässt zusammen mit seiner Frau und den andern Musikern, nach einem Blick auf das Publikum, den Konzertsaal durch den Hinterausgang. Eine Viertelstunde später steht das Casino in hellen Flammen, und das ganze Equipment der Mothers im Werte von über DM 250000,– wird ein Raub der Flammen. Man kann von Glück reden, dass unter den Zuschauern keinerlei Panik ausbrach und alle, ohne stark drängen zu müssen, das Casino verlassen konnten.

Dabei hat alles so harmlos und lustig angefangen. Bereits am Freitagnachmittag begaben wir uns – wir, das waren Schallplattenfirmen-Promotionmanagers und Journalisten – mit dem Zug an die Gestade des Genfersees, in das Schweizer Pop-Mekka Montreux, um Frank Zappa und den Mothers Of Invention die Reverenz zu erweisen.

Zappa in Montreux war das Musikereignis der Saison 1971. Nachdem wir die Hotels bezogen hatten, begaben wir uns flugs ins Casino, wo wir hofften, einige der Musiker zu treffen. Die Mothers selber bekamen wir diesen Tag zwar nicht zu Gesicht – sie machten sich einen vergnügten Tag mit einer Fahrt in die Berge und mit Eislaufen am Abend. Dafür trafen wir John Lord und Roger Glover von den Deep Purple, die in Montreux mit dem Aufnahmewagen der Stones, dem sagenhaften «Rolling Stones Mobile Record Unit», ihre neue LP aufnahmen. Auch sie waren erst an diesem Tag angekommen und hatten sich bereits akklimatisiert. Den Abend verbrachten wir an der Bar des Casinos, wo später auch die drei anderen Purples Ritchie und die beiden Ian's sowie Ingenieur Martin Birch zu uns stiessen. Wir haben viel getrunken und viel geredet, nur nichts über das, was uns als Journalisten eigentlich hätte interessieren sollen. Es wurde eine lange Nacht – die letzte im Casino von Montreux ...

Mit brummendem Schädel genoss ich anderntags in der Frühe – Pflicht ist Pflicht – die ersten Sonnenstrahlen. Im Casino fanden wir uns alle mit der Zeit einmal ein, während Frank Zappa und seine Musiker bereits am Stimmen der Instrumente waren. Bis zum Konzertbeginn blieben uns noch gute drei Stunden, zweieinhalb davon brauchte die Gruppe, bis die ganze Anlage ok war. Trotzdem unterbrach Frank hie und da die Arbeit, um sich mit diesem oder jenem von uns ein wenig zu unterhalten. Er sei zum ersten Mal in der Schweiz («ich habe mich zum ersten Mal in eure schönen Alpen verirrt»), wie das Publikum sei, ob alle Leute englisch verstehen würden – Frank wollte alles genau wissen. Doch als ich wissen wollte, ob die Mothers das Repertoire, das auf der Live LP «Mothers – Fillmore East June 71» zu hören ist, auch hier zum besten geben werden, zuckte er die Schultern und meinte: «Lass dich überraschen. Aber eines will ich dir jetzt schon verraten. Wir werden auch etwas in deutscher Sprache singen. Nachher wirst du jedoch bedauern, dass deutsch deine Muttersprache ist». Dann wandte er sich wieder seiner Gitarre zu, deren Töne ihm immer noch zu missfallen schienen.

Um 14.00 Uhr wurden die Zuschauer, die zum Teil schon seit fünf Stunden Schlange gestanden hatten, um die besten Plätze zu erwischen, hereingelassen. Innerhalb einer Minute war der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Auftritt der Mothers begann pünktlich.

Während auf der Bühne Dämmerlicht herrschte und erst Ian Underwood und Don Preston «on stage» waren, erschienen nach und nach die anderen Musiker, begaben sich unter Beifall an ihre Instrumente und fielen in den schon bestehen den Sound ein. Am Schluss tauchte der Meister himself auf – Frank Zappa. Die Mothers spielten einen perfekt durcharrangierten Act, wobei Zappa wie immer die Einsätze dirigierte und die beiden Spassvögel und Sänger, Mark Volman und Howard «Howie» Kaylan, die Show mit Kabarett-Einlagen bereicherten. Das Publikum hatte seine helle Freude an den zynischen und zweideutigen Texten, die viele Anspielungen an schweizerisches Nationalgut wie Schokolade, Käsefondue und Alpenmilch, beinhalteten. Das Konzert war ohne Zweifel eines der besten, das je in Montreux stattgefunden hat. Dies soll etwas heissen, trat doch in Montreux die ganze Weltelite der Gesangs-, Jazz- und Rock-Stars auf. Alles lief wie am Schnürchen bis zu jenem Moment, als ein allzu enthusiastischer Zappa-Fan einen Knallkörper oder so etwas ähnliches losliess und damit den Brand auslöste.

Draussen habe ich Frank Zappa und die anderen Musiker nochmals getroffen. Während Don Preston den Tränen nahe war – sein Synthesizer hatte er in jahrelanger Freizeitarbeit so umgebaut und daran rumgebastelt, wie er ihn haben wollte. Der Verlust ist für ihn unersetzlich. Zappa selber hat seinen Hang zum Spott jedoch selbst in solchen Momenten nicht verloren. Wo jetzt die Pressekonferenz abgehalten würde, in diesem brennenden Haus wäre es ihm ein bisschen zu warm und sich gegen die Berge wendend: «Was mich an den Schweizer Bergen besonders fasziniert, ist das herrliche Alpenglühen ...» Ob so viel Ironie verschlug's sogar mir abgebrühtem Menschen die Sprache – ich liess dafür meinen Photoapparat sprechen...