Frank Zappa

Mark Williams

Sounds, November 1, 1970


Ich möchte gerne einige Dinge von Dir wissen, die im Augenblick mit Deinem Label Straight vorgehen.

Was willst Du wissen?

Ich erinnere mich, vor einem Jahr ein Interview mit Dir gelesen zu haben, indem Du sagtest, dass Du inzwischen fünf bis zehn nicht veröffentlichte Platten in Reserve hast, Sachen mit Dir und den Original Mothers of Invention. In diesem Interview war auch davon die Rede, dass eins davon schon des Öfteren geplant, war, veröffentlicht zu werden, und zwar NO COMMERCIAL POTENTIAL. Es soll ein Album mit Deiner Musik und dazwischen gemischten Bändern mit Lenny Bruce sein. Stimmt das?

Bandstücke von Lenny Bruce... Nein, das war nicht vor einem Jahr. Weisst Du, wann das war? 1967 war das, wirklich! Es war lange vor der Zeit mit unserem Label Straight. Und die Bänder, die wir von Lennie Bruce auf Bizarre veröffentlicht haben, wurden genauso original veröffentlicht wie wir sie bekommen haben. Ohne die geringste Spur von Schnitten. Das Konzept eines Albums mit Lenny Bruce' Lesungen and Musik von den Mothers of Invention ist uns von der Firma MGM – bei der wir zuerst unter Vertrag standen – und den Leuten dort vorgelegt worden. Es ist etwas, wozu ich mich womöglich hatte überreden lassen. Ich glaube nämlich nicht, dass Lenny Bruce unsere Musik zur Unterstützung braucht. Das was er macht, ist auch ohne dazu montierter Musik gut. Deshalb bin ich froh, dass ich nicht gedrängt wurde, es zu tun.

Was soll mit all den Alben geschehen, die Du in Reserve hast? Es war, glaube ich, mal die Rede davon, dass Du sie einem Abonnentenkreis über ein Monatsmagazin anbieten wolltest.

Das wird wegen der sehr hohen Produktions- und Materialkosten nicht durchzuführen sein. Sieh mal, wir würden daran finanziell kaputt gehen, denn zehntausend Exemplars von zwölf verschiedenen Alben zu pressen, würde ziemlich genau auf eine Viertelmillion Dollar hinauslaufen. Und die reichen auch nur für ganz einfache Plattenhüllen. Wer wird schon diese Summe investieren, nur um zu sehen, wie sich die Platten verkaufen lassen?

Warum sind die Kosten so hoch?

Weil Du nicht nur die Platten pressen musst. Du musst die Musiker für jedes dieser Dinger bezahlen. Und schließlich kommen noch die immensen Kosten für die heute üblichen, aufwendigen Hüllen hinzu. Die Viertelmillion ist von mir nur geschätzt, aber ich glaube, dass die Kosten ziemlich nahe an diese Summe herankommen werden.

Also geschieht überhaupt nichts mit diesem Alben?

Nun, ich glaube, das letzte vollständige Album mit altem Mothers of Invention Material – mit anderen Worten: mit der Originalgruppe – ist unser Letztes, WEASELS RIPPED MY FLESH.

Wann ist das aufgenommen worden?

Zwischen 1967 and 1969. Es handelt sich ausschließlich um Live-Aufnahmen.

Wie schätzt Du die alten, im Apostolic Studio entstandenen Aufnahmen im Vergleich zu den späteren ein?

Zwischen unserer Apostolic Zeit and den späteren Studioaufnahmen liegt eine Spanne gewaltigen technologischen Fortschritts. Apostolic war ein prototypisches Studio, es besaß ein zwölf-spuriges Aufnahmegerat.

Spielst Du gerne mit britischen Musikern zusammen?

Ich bin den Briten gegenüber ein wenig parteiisch. Ich nehme die Musiker so wie sie kommen, einige der britischen Musiker Befallen mir, andere nicht. Sic verstricken sich teilweise so sehr in die Rauschgiftszene, dass sie überhaupt nicht mehr kommunikationsfähig sind. Wirklich gerne spiele ich mit Aysnley Dunbar. Er ist sehr daran interessiert, seine Technik zu verbessern. Von dem Zeitpunkt seiner Ankunft in Amerika bis jetzt hat er enorme Fortschritte gemacht. Er übt augenblicklich mit dem Perkussionisten vom Los Angeles Philharmonic Orchestra. Und er hat sich allerhand methodische Bücher angeschafft, die er in seinem Handkoffer immer mit sich rumtragt. Daneben schleppt auf all unseren Tourneen auch immer ein Schlagzeugübungsgerät mit sich herum. Er sitzt dann in seinem Hotelzimmer und übt.

Der Gitarrist von Dr. John's Gruppe erzählte mir, dass Mac Rebennack (Dr. John's richtiger Name) einmal bei Euch vorgespielt hat, um sich um den Posten des Pianisten bei den Mothers of Invention zu bewerben.

Ja, das stimmt.

Was hat sich denn daraus entwickelt? Ich habe gehört, dass die ganze Session mit ihm total daneben gegangen ist.

Was geschah, war folgendes: Ich traf Mac, nachdem einige Menge Leute ihn mir empfohlen hatten. Ich wollte, dass er Klavier spielte als wir gerade bei den Aufnahmen zu unserem ersten Album FREAK OUT waren. Er kam zu einer Probe und fragte: "Was spielt ihr für Stücke?" Als ich dann ihm zeigen wollte, wie er "Who Are The Brainpolice" spielen müsse, ging er mit den Worten: "Das ist nichts für mich." Bei dieser Art Musik wollte er nicht mitspielen. Es war ihm einfach zu verrückt, das ist alles. Er sagte: "Das ist die Art Musik, die ich mag," und sang uns dann diesen Song vor

How much pussy do you eat,
One two three... four five six
You say your Mommy sucks dicks
And your daddy turns tricks
one two three... four five six

Ich fragte, ihn, nachdem ich ihm versichert hatte, dass sein Song großartig sei: "Warum aber willst Du nicht "Who Are The Brainpolice" spielen?"

Hast Du dann tatsächlich etwas mit ihm zusammen aufgenommen?

Du weisst sicher, dass es auf dem FREAK OUT Album mitgewirkt hat. In "Monster Magnet" spielt er Klavier im Hintergrund. An der Session zu FREAK OUT haben übrigens annähernd zweihundert Musiker mitgewirkt. Es waren Leute aller Art, die bei uns ein und ausgingen.

Du hast jetzt einige Mitglieder der Turtles in Deiner Gruppe. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Ich kenne die Jungen jetzt schon fünf Jahre lang, und ich war schon immer der Meinung, dass sie gute Singer sind. Ich habe sie arbeiten sehen, also wie sie sich auf der Bühne bewegen, und ich habe erkannt, dass sie genau richtig für Tourneen sind. Es sind exzellente Techniker und es gibt genug Grunde, warum wir uns diese Tatsache zugute kommen ließen. Sie haben immer gespürt, dass die Leute ihre Musik missverstanden, weil sie nämlich laufend Hits hatten. Im Grunde entsprechen sie als Charaktere überhaupt nicht dem Typ des angepassten Teenager-Idols, für das die Leute sie immer hielten. Sie haben genauso verrückte und pervertierte Ideen wie die Mothers. Und außerdem passen sie gut zu uns. Früher haben sie bloß Geld gemacht, heute haben sie das Gefühl, dass man ihre Musik anerkennt.

Da wir gerade über Geld sprechen: Macht Deine Schallplattenfirma Straight Gewinne?

Ich würde sagen, dass wir mit plusminusnull herauskommen werden. Das Plattengeschäft in den USA ist momentan sehr flau. Es ist hart für jedermann, nicht nur für die kleinen Firmen.

Planst Du mit den Musikern, die Du für Straight produziert hast, neue Aufnahmen, oder handelte es sich jeweils nur um eine einmalige Sache?

Mit einigen von ihnen werde ich neue Alben produzieren. Wild Man Fisher zum Beispiel wird eine Einzelproduktion bleiben, weil wir ihm bereits seinen Vertrag wieder zurückgegeben haben. Wir haben ihm nämlich von Anfang an versprochen gehabt, dass er – wenn er die Möglichkeit hat – ohne Verpflichtungsgefühl uns gegenüber einen besseren Vertrag abschließen könne.

Hat er das getan?

Ich zweifle daran.

Warum habt Ihr ihm dann seinen Vertrag zurückgegeben?

Weil er es wollte. Zuerst verdiente er mit seinem Doppelalbum, das auf Straight erschienen ist, mehr Geld als jemals zuvor in seinem Leben. Wir zahlten ihm einen ersten Vorschuss von tausend Dollar, zehn Wochen lang jeweils 100 Dollar. Wir wollten ihm damit eine Existenzgrundlage ermöglichen. Denn er stand, bevor er zu uns kam, buchstäblich auf der Straße. Aber kaum hatte er das Geld in der Tasche, verlor er es oder gab in kürzester Zeit alles aus. Am Boden zerstört kam er dann jedes Mal in unser Büro, belästigte die Angestellten, war wirklich gehässig, und mitunter kam es auch zu Gewalttätigkeiten. Als er diese tausend Dollar vergeltet hatte, gaben wir ihm weitere sechshundert, die wir abermals in kleinen Raten auszahlten. Dieses Mal verteilten wir das Geld über einen längeren Zeitraum, damit er nicht so schnell alles vergeuden, aber wenigstens seinen Lebensunterhalt sichern könnte. Sein Verhalten war völlig weltfremd. Nachdem er nun ein Doppelalbum auf dem Markt hatte, erwartete er als nächstes sofort die Goldene Schallplatte, große Autos und Scharen von Mädchen, die sich die Kleider vom Leib reißen, wenn sie ihn auf der Straße erblicken. Als diese seine Vorstellung nicht Realität wurde, kam er zu mir und sah in mir den Schuldigen, weil ich ja seine Platte produziert hatte. Er hielt mich schließlich für einen Schuft. Doch ich hatte kein Interesse daran, mich mit dieser Scheiße zu beschäftigen, weil nämlich alles immer unkontrollierbarer wurde. Als er dann eines Tages kam und sagte: "Ich gehe jetzt zu einer anderen Firma," war ich froh und gab ihm den Vertrag zurück.

Wie steht es mit der Platte der GTO's? Wird das eine einzelne und einmalige Produktion bleiben?

So viel ich weiß, arbeiten sie gerade an einer zweiten LP. Aber ich werde sie nicht produzieren. Sie wollen nämlich Musik von der Art machen, bei der man mitsingen kann. Das ist nichts für mich. Ich möchte wichtige, dokumentierende Platten machen. Rock'n Roll Alben kann jemand anderes machen.

Warst Du mit dem ersten Album der GTO's zufrieden?

Ja, ich glaube, wenn man berücksichtigt, unter welchen Bedingungen ich bei diesem Album arbeiten musste, so ist das Ergebnis recht passabel.

Mir hat besonders "Circular Circulations" gefallen, was voller Witz ist.

Das Album ist gut, nur die Umstände bei der Herstellung und hinterher waren recht enervierend für mich. Die Mädchen haben nämlich die gleiche Ansicht wie Wild Man Fisher, nämlich: Wir haben ein Album gemacht – wo bleibt die Goldene? Wo unsere Million Dollar? Sie haben überhaupt keine realistische Vorstellung, was es heißt, ins Plattengeschäft einzusteigen.

Macht es Dir Spaß, am geschäftlichen Teil Deiner Plattenfirma mitzuarbeiten?

Ich arbeite in Wirklichkeit nicht viel am geschäftlichen Teil. Herb Cohen – der ja auch Mitbesitzer ist – kümmert sich darum. Ich bin für die künstlerischen Entscheidungen – also was aufgenommen und herausgebracht wird und was nicht – verantwortlich. Mit geschäftlichem Kram brauche ich mich nicht herumzuschlagen.

Was tut Cpt. Beefheart momentan?

Ich weiß es nicht. Ich habe ihn ungefähr ein halbes Jahr nicht mehr gesehen.

Geht er wieder auf Tournee?

Er sagt, er würde eine Tournee vorbereiten. Aber das kann sich bei ihm jeden Moment wieder ändern.

Welche Meinung hast Du von Cpt. Beefheart?

Ich halte ihn für einen außergewöhnlichen Poeten. Und ich halte ihn außerdem für eine sehr talentierte Persönlichkeit.

Was hältst Du von seiner Gesangstechnik?

Ich mag seinen Gesang sehr, er hat eine interessante Stimme. Ich höre ihm wirklich gerne zu. Aber ich erinnere mich an eine Zeit, da konnte man ihn überhaupt nicht zum Singen veranlassen, weißt Du, er sträubte sich regelrecht. Ich besitze heute noch die Bänder seiner allerersten Aufnahmen, die ich vor etwa acht Jahren mit ihm gemacht habe.

Wo war das?

Ich hatte ein Aufnahmestudio in einem Städtchen namens Cucamonga in Kalifornien. Ich habe ihn dazu überredet, ein Singer zu werden. Wir fuhren öfters in seinem Wagen durch die Gegend. Er sang dann immer die Radiomusik mit. Ich drängte ihn immer wieder: "Los, Mann, sing"! Aber er schlug sich mit einem furchtbaren Problem herum. Er konnte nämlich nicht im 4/4 Takt singen. Bis ich ihn schließlich dazu brachte, nicht mit Gewalt zu versuchen, im 4/4 Takt zu singen, sondern seine eigene Musik zu gestalten. Am Anfang – und für manche Hörer auch heute noch – hörte sich deshalb sein Gesang wie ein einziges totales Chaos an. Die frühesten Sachen, die er aufnahm, waren "Slippin' and Slidin' " ganz im Stil von Jimi Hendrix mit einem langsamen Rhythmus, das Howlin' Wolf Stück "Evil", "The Grund", "Tiger Roach", und "Vicious Intentions", ein langsamer Blues.

Es wäre wirklich ein Spaß, davon etwas zu hören. Schade, dass die meisten Leute dazu nie Gelegenheit haben werden.

Ich könnte es vielleicht auf einer Platte bringen. Ich habe auch noch einige Bänder, auf denen ich mit ihm übe: recht lustiges Zeugs.

Wer hat ihn damals, als Du ihn zum ersten Mal aufgenommen hast, begleitet?

Er hatte mit mir zusammen eine Gruppe, die sich The Soots nannte.

Hast Du jemals wirklich versucht, all diese Bänder, die Du besitzt, auf Platten herauszubringen, die im Abonnement über ein Magazin angeboten werden?

Dazu braucht man jemanden, der das finanziert. Ich bin nicht reich genug dazu, und ich habe auch noch niemanden gefunden, der das tun würde.

Hast Du jemals mit Warner Bros., der Firma, die Deine Platten vertreibt, darüber gesprochen?

Sicher. Und die wiederum haben mit dem Playboy Magazin darüber gesprochen. Aber wenn der Kontakt einmal unterbrochen ist, kommt das Geschäft nicht mehr in Gang. Wenn es Platten von den Beatles wären, gäbe es sicher keine Schwierigkeiten. Ein Magazin, das auf weite Verbreitung aus ist, kann es sich nicht leisten, diese verrückte, unrhythmische Musik, wie wir sie machen, für einen kleinen Kreis von Leuten herauszubringen. Bei den Beatles wäre das schon etwas anderes.

Ich weiß nicht recht... ich erinnere mich, dass die Beatles vor einiger Zeit mit Apple auch mal solch eine Abonnenten-Idee gehabt haben. Sic wollten monatlich eine Platte herausgeben, auf die man wie ein Magazin abonnieren sollte. Zwei Dollar sollte das pro Monat kosten. Man hatte schon Richard Brautigam, Timothy Leary, Ken Kesey und eine ganze Reihe andere Leute aufgenommen. Doch das Projekt scheiterte schließlich doch, trotz der Beatles.

Das ist völlig verständlich. Wenn es sich um Platten mit den Beatles gehandelt hätte, wäre es ein riesiger Erfolg geworden, aber mit Brautigam und anderen Poeten ist das unmöglich, auch wenn die Beatles ihren Namen dafür hergeben würden. Die elektronischen Sachen, die John Lennon und George Harrison auf Platte herausgegeben haben, waren finanziell auch ein Misserfolg. Weißt Du, Platten mit Poesie herauszubringen, ist stets zum Misserfolg verurteilt, denn die Leute kaufen sie nicht, weil man nicht danach tanzen kann. Ich glaube, dass die meisten jungen Leute in ihrer Einstellung zu Schallplatten immer noch auf dieser Stufe stehen, selbst wenn heute keiner mehr richtig tanzt. Aber es muss auf jeden Fall etwas rhythmisches sein, wenn es erfolgreich sein soll...

Sicher kranken an dieser Einstellung des Publikums viele amerikanische Gruppen. Sie stehen unter dem Zwang, ihre Musik so zu komprimieren, dass es auf Single veröffentlicht werden kann.

Ja, richtig.

Was ist mit Deinem alten Filmprojekt "Uncle Meat?"

Vierzig Minuten sind schon fertig geschnitten. Wir hatten bereits das Geld für den gesamten Film zusammen, doch als wir den Geldgebern die erste Fassung vorführten, zogen sie ihr Geld schleunigst wieder zurück. Sie verstanden ihn nicht. Was soll man da machen, wenn man von diesen Leuten, die am Geld sitzen, abhängig ist. Ich habe natürlich auch versucht, von anderen Leuten Geld zu bekommen. Doch auch deren Reaktion war nicht anders. So bleibt es vorläufig beim Entwurf.

Aber es müssten sich doch Finanzleute finden lassen, die eine Chance in Deinem Film sehen.

Ich bin auch überzeugt davon, aber ich habe bisher noch niemanden gefunden.

Vor allem Dein Ruf konnte Dir doch helfen.

Wie meinst Du das?

Nun, wenn jemand Deine Arbeit auf dem Musiksektor schätzt, der musste sich doch, wenn er von Deinem Filmprojekt hört, bei Dir melden.

Logisch wäre das schon, aber in der Praxis hängen alle zu sehr an ihrem Geld. Wenn jemand hunderttausend Dollar für einen Film hergibt, will er am Ende auch etwas gewinnen. Vor allem in den Vereinigten Staaten, weil man ja dort niemals genau weiß, wann sie plötzlich alle Grenzen dicht und die Pässe ungültig machen und jedermann in ein Konzentrationslager werfen. Das mag vielleicht nach Fantasterei klingen, aber jeder in den Staaten weiß im tiefsten Winkel seines Herzens, das so etwas passieren kann. Wenn der Scheißpräsident Deines Landes Dir direkt ins Gesicht lügt und noch glaubt, dass er alle Leute zum Narren halten kann, wenn er damit bei vielen Erfolg hat, wie kann man ihm da in einer anderen Situation Vertrauen schenken? Wenn die Polizei, und nicht die Nationalgarde, in einer bestimmten Stadt in Mississippi mit entsicherten Gewehren gegen eine Studentenansammlung vorgeht...

Wie weit geht Deiner Meinung nach die Eskalation? Kannst Du irgendetwas voraussehen?

Ich möchte kein Resultat voraussagen, mach Du das.

Nein, nein...

Ja, doch, sag was Deiner Ansicht nach passieren wird.

Es hat den Anschein, dass die Unterschiede zwischen den beiden extremen Gruppen immer eklatanter werden. Und das wird sicher zu blindem Fanatismus führen.

Das ist genau das, was verhindert werden muss, weil nämlich die Spaltung unter den Menschen das größte Problem sein wird.

Was glaubst Du ist der Grund dafür?

Ich glaube, dass die Polarisierung an sich ein Trend ist, so wie vor Jahren Flower Power ein Trend war. Das mag vielleicht zynisch oder bitter klingen, aber meiner Ansicht nach steckt eine gehörige Portion Wahrheit darin.

Wie lange wird dieser Trend anhalten?

Bis die Leute ihn leid sind. Oder bis ein neuer Trend aufkommt. Offensichtlich hat noch niemand die richtige Antwort gefunden. Die Leute an der Macht... sieh sie Dir an, die sind so wohlhabend und einflussreich, und die Armee verfügt über alle Mittel gegen Dich, genau wie die Polizei. Es ist aussichtslos, mit einem Stock oder einem Molotow-Cocktail in der Hand auf die Straße zu gehen und zu sagen: "Hier ist die Revolution." Das ist einfach unsinnig und hilft niemandem. Man kommt nicht gewaltsam gegen die herrschenden Zustande an. Die einzige Möglichkeit ist, von innen heraus zersetzend zu arbeiten.

Ich stimme Dir zwar zu, aber ich glaube nicht, dass dies auch die Meinung der Revolution ist.

Zu Schade. Ich habe eine sehr geringe Meinung von der revolutionären Meinung.

Aber gerätst Du damit nicht in ein anderes Dilemma? In ein persönliches nämlich: Die Leute, die Du von Deiner Ansicht überzeugen möchtest, kehren sich von Dir ab.

Ich will nicht irgendjemanden überzeugen. Ich bin der Meinung, dass die notwendigen Veränderungen allen zu gute kommen müssen. Es darf kein Kampf Alt gegen Jung, Schwarz gegen Weiß, Arm gegen Reich geben, weil jeder Mensch das Recht hat, das Beste aus seinem Leben zu machen. Das ist die einzige faire Art, die Situation zu betrachten. Es geht nicht um Links oder Rechts. Im übrigen zähle ich mich auf keinen Fall zur linken Bewegung.

Wie stufst Du Dich in sozialen Begriffen ein?

Ich bin ein Privatmann, der sich im gewissen Umfang für das Geschehen in seinem Land interessiert... und natürlich in der übrigen Welt. Manch einer wird es nicht glauben wollen, aber ich mag die Menschen.

Du kennst, glaube ich, einigermaßen England. Worin bestehen Deiner Ansicht nach die Unterschiede zwischen England und den Vereinigten Staaten?

Großbritannien ist weniger polarisiert. Darin besteht der Hauptunterschied.

Es hat – so befremdlich das auch sein mag – den Anschein, dass in den USA die ganze Kulturbewegung, nicht nur die der Jugend, gegen die alte Generation gerichtet ist. Ist Dir das auch aufgefallen?

Ja, ich glaube, dass ein wenig auch die Furcht der Amerikaner vor dem Altern eine Rolle spielt. Von Bedeutung ist natürlich auch noch die Tatsache, dass die alten Leute die Machtpositionen inne haben, aber nicht das Bestmögliche daraus machen – wie beispielsweise unsere Regierung. Da wird ein Bursche gewählt, von dem erwartet wird, dass er fürs Volk sorgt. Doch er tut wenig für die junge Wählerschaft. Dabei sollte er sich vor Augen halten, dass mittlerweise die Mehrheit der Bevölkerung junger als 25 Jahre alt ist. Und wenn sich die Regierung nicht genügend um die Bedürfnisse dieser jungen Bevölkerungsschicht kümmert – darin unterscheidet sich schließlich die Demokratie von anderen Herrschaftsformen –, dann muss man eben versuchen, diese Regierung loszuwerden. Oder aber man muss sie veranlassen, das notwendige zu tun, wenn sie weiter an der Macht bleiben will.

In England gibt es meiner Ansicht nach diese Spannungen nicht. Verglichen mit den Verhältnissen in den USA, wo jeder mit der Befürchtung herumlauft, eines Tages ins Konzentrationslager geworfen zu werden, ist England ein ruhiges, ausgeglichenes Land. Dort gibt es zwar wirtschaftliche Probleme, aber niemand glaubt, dass sie zur Katastrophe führen könnten, oder dass man nach Deutschland ins Gefängnis gebracht werden konnte oder so.

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