Kunstforum

 Germany

 
Kunstforum was founded in 1972 as a journal for all areas of visual culture: photography, architecture, design, video, etc.
 

Muhammad Ali, Frank Zappa und Bruce Nauman wurden im Abstand von insgesamt nur dreizehn Monaten geboren. Sie kommen alle aus den Vereinigten Staaten und repräsentieren drei unterschiedliche ethnische Gruppen. Bruce Nauman ist Amerikaner bürgerlichangelsächsischer Herkunft, Muhammad Ali gehört zur unterprivilegierten, schwarzen Bevölkerungsschicht und Frank Zappa schliesslich ist Sohn südeuropäischer Einwanderer. Nauman und Zappa haben als Kinder den ständigen Umzug ihrer Familien in andere Gebiete erlebt und mussten lernen mit dem stetigen Neuanfang umzugehen. Dieser Aspekt schlägt sich später zweifellos auch in ihrer Arbeit nieder. Bei Muhammad Ali konstituierte sich der Weg der «bedingten» Nichtlinearität stärker aus dem Bedürfnis heraus, die Unterschicht, den Zustand des unterprivilegierten Schwarzen – und später die korrupten Banden des Boxssports – mit allen Mitteln zu bekämpfen. Dennoch vermitteln alle drei in ihren Werken und Taten eine vergleichbar grossartige Unabhängikeit. Während aber Ali und Zappa im engeren Sinne keine Unterscheidung zwischen Werk und Person und deren Öffentlichkeit vornehmen und beide Aspekte fortwährend ineinanderfliessen, nimmt sich Bruce Nauman als Person nahezu ganz aus der Öffentlichkeit zurück, bringt sich dafür zu Beginn seiner Karriere aber umso stärker persönlich ins Werk ein. Während bei Ali fast alles, was er tat, von der ganz eigenen Performance abhing, entwickelten Nauman und Zappa zunehmend «Strategien», die stärker die Position eines Regisseurs oder «Komponisten» einnehmen, und wo die eigentlichen Ideen genausogut durch Dritte realisiert werden können.

Ali, Zappa und Nauman gehören zur Generation der «Rekonstruktion», des Wiederaufbaus und Aufbruchs nach dem zweiten Weltkrieg. Das begünstigte zweifellos die Entwicklung ihres unstillbaren Willens nach grosser persönlicher und künstlerischer Unabhängigkeit und gibt vielleicht indirekt auch eine Antwort darauf, warum heute viel von diesem Bewusstsein verlorengegangen ist, weil es – zurückgekehrt in eine depressive und illusionslose Zeit – in gewissem Sinne längst zur Bedingung geworden ist, die Paradoxie und die Fähigkeit zur «bedingten Nichtlinearität» als Rüstzeug zwar mitzubringen, aber nur um das Produkt mit umso gesteigerter Virtuosität linear gestalten und realisieren zu können. (read more)